AI Monday in Wien: Künstliche Intelligenz, Menschen und die neuen Chancen, Probleme zu lösen
Datenkompetenz und der immer öfter notwendige Schritt über diese professionelle “Data Literacy” hinaus wurde gleich zu Beginn des ersten AI Monday in Wien als “Lernreise” beschrieben, bei der es für jeden kein „Ausgelernt!” geben kann. Denn auch im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI), so Moderator Tizian Kronsbein, werde die menschliche Intelligenz weiterhin eine zentrale Rolle haben. Nur die Nutzer könnten sicherstellen, dass AI gesellschaftlich sinnvoll und ethisch korrekt eingesetzt werde, sagte der Leiter der DAIN Academy: „AI literacy“ sei daher in Zukunft unerlässlich.
Vor run 200 Gästen im Bundesrechenzentrum (BRZ) und 130 Online-Zuschauern erinnerte der Experte daran, dass nach jedem historischen Automatisierungssprung – etwa von der Wasser- zur Dampfkraft, von Computern zu Robotern – Menschen für den „Output“ ihrer Maschinen verantwortlich geblieben seien. Habe die erste industrielle Revolution eine dampfgetriebene menschliche Kreativität ermöglicht, so werde es auch im KI-Zeitalter „immer mehr Mensch-Maschine-Kollaboration“ geben, die dank wachsender KI-Kompetenz kreative Prozesse immer wieder neu bereichern könne.
Erfreulicherweise wurde KI-Kompetenz von allen drei Gästen des AI Monday als Weiterentwicklung der bereits weit verbreiteten Data Literacy gesehen. Romana Aumer, Head of Customer 360°, Business Unit Enterprise, bei A1 Telekom Austria AG, erzählte zwar, dass ihr Wechsel von der eher rückwärtsgewandten Sicht der Finanzabteilung zur zukunftsorientierten AI ein „Umdenken“ bedeutet habe. Sie stimmte aber auch Günter Stessl, AI-Verantwortlicher im BRZ, zu, der von einer „kontinuierlichen […] Weiterentwicklung“ seiner Kolleginnen und Kollegen von der Datenkompetenz „hin zur AI-Literacy“ sprach.
Als Grundlage für diesen „sukzessiven Prozess“ nannte Stessl die etablierte Disziplin der Data Governance, die es Unternehmen und anderen Organisationen ermöglichen soll, große Datenbestände verantwortungsvoll zu nutzen. Ebenso ginge es bei „trustworthy AI“ um die Qualität der Daten, die für das Training eines Algorithmus benötigt würden. „Das sind wichtige Themen für KI […], auch um mögliche Risiken im Vorfeld zu erkennen.“ So habe das BRZ in den vergangenen Jahren einen Fragenkatalog entwickelt, um bei potenziell kritischen KI-Projekten bereits frühzeitig „Antworten auf mögliche Schwierigkeiten“ zu finden.
Für Ana Simic, Managing Director von DAIN Studios Austria, ist bei derartigen Projekten eine offene Zusammenarbeit zwischen Geschäfts- und Technikexperten essentiell. Eine solche „Kultur des Vertrauens und Experimentierens“ könne durch den Austausch von Ideen zu überraschend guten Ergebnissen führen. Auch als Beraterin ist es für sie selbstverständlich, dass sie noch immer „jeden Tag etwas Neues“ über KI lernt.
Die Expert: Innen waren sich einig, dass die Fähigkeit, die Nutzung von Daten und AI in Geschäftsprozessen von Anfang an mitzudenken, die Entwicklung von nutzerfreundlichen Anwendungsfällen besonders fördert. Aumer berichtete, wie AI der Geschäftskundensparte von A1 Telekom Austria bei der Vermarktung neuer Produkte geholfen hat: Statt Neuerungen breit „in den Markt zu drücken“, könnten Mitarbeiter nun „zum richtigen Zeitpunkt zum richtigen Kunden gehen“ – also das anbieten, was der Kunde gerade sucht. „Data Science Modelle“ ermöglichten es dem Vertrieb nun, „neue Prioritäten zu setzen“.
„Der Use Case ‚Knowledge Management‘ steht als Thema ganz oben“, fügte Simic dann hinzu. KI entlaste die „Wissensarbeiter“, indem sie den schnellen Abruf von Informationen ermögliche. So könnten etwa Kundendienstmitarbeiter vor Ort dem Kunden schneller besseren Service bieten. Auch Stessl sprach von einem „breiten Spektrum“ an „sprudelnden Ideen“, die einer breiteren Öffentlichkeit geholfen hätten, vom „Terminator-Image“ einer vermeintlich bedrohlichen Technologie wegzukommen. So werde beispielsweise die durch KI vereinfachte Sprache inzwischen als wichtiger Beitrag zur Barrierefreiheit anerkannt.
Auch die bevorstehende Regulierung von KI durch die Europäische Union wird laut Simic dazu beitragen, „die Angst aus dem Thema zu nehmen“. Dies sollte der europäischen KI-Branche „mehr Innovation ermöglichen“ – und nicht weniger, wie von vielen Beobachtern im In- und Ausland beschworen. Der geplante AI Act werde aber eher eine „Starthilfe“ als ein „Allheilmittel“ sein, so Stessl. Auch aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung müsse Europa die Regulierung sicherlich kontinuierlich weiterentwickeln. „Das wird eine umfassende Aufgabe“, so Stessl. “Was wollen wir – und was wollen wir nicht?“
Im Idealfall werde mit dem europäischen KI-Gesetz ein Regelwerk geschaffen, „auf dem wir aufbauen können“, so Aumer. Es gehe darum, Sicherheit zu schaffen, damit die Menschen in Europa mit AI beruhigt in die Zukunft blicken können. Dazu gehöre auch und gerade das Thema Arbeitslosigkeit, so alle geladenen Experten: Ja, KI werde Aufgaben übernehmen, die heute von Menschen erledigt werden. Aber diese Entwicklung sei in der Geschichte der Automatisierung wirklich nicht neu: Immer wieder hätten Maschinen Aufgaben übernommen – und immer wieder seien neue Aufgaben für Menschen hinzugekommen.
Nicht nur deshalb blickten die Experten abschließend optimistisch in die Zukunft. So äußerte Aumer mit Blick auf die Fortschritte der letzten zehn Jahre die Hoffnung, dass eine von Menschen gesteuerte KI einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten könne. Gleichzeitig, so Simic, biete KI die Chance, wahrlich allen Menschen zu helfen und damit die Kluft zwischen Gebildeten und Ungebildeten, Armen und Reichen zu verringern. Insgesamt könne die Menschheit mit KI in der gleichen Zeit mehr erreichen. „Wir leben in einer Welt voller Probleme. Vielleicht haben wir jetzt mehr Zeit, sie zu lösen“.